Dedert: „Wir brauchen mehr Vertrauen und Aufbruchstimmung von der Politik.“
Herford-Bielefeld/WLV Die Bauern blicken auf ein bewegtes Jahr 2024 zurück. „Vor allem die Bauernproteste sind und bleiben uns in Erinnerung“, resümiert Hermann Dedert, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Herford-Bielefeld. Zugleich formuliert er zum Jahresende klare Forderungen. „Wirtschaft und Landwirtschaft in Deutschland brauchen eine echte Kehrtwende in der Politik. Dedert: „So wie jetzt kann und darf es nicht mehr weitergehen.“
Jahresbeginn 2024 ganz im Zeichen bundesweiter Proteste
„Die Sparpläne für Agrardiesel und KFZ-Steuer waren nur die Spitze des Eisberges für die Proteste“, erklärt Dedert. Nach jahrelanger Gängelung und Verbotspolitik brachten diese Kürzungspläne der Ampelkoalition das Fass zum Überlaufen und trieben die Landwirte auf die Straße.
Was ist der größte Erfolg der Proteste? Die öffentliche Wahrnehmung der Bevölkerung und die Breitenwirkung waren groß. „Wir wurden auf allen politischen Ebenen wahrgenommen, von Europa, Bund und Land“, bewertet der Vorsitzende. Die Landwirtschaft sei wieder auf die politische Agenda gerückt. Und: „Die Bevölkerung stand und steht nach wie vor stark hinter uns und dafür bedanken wir uns“, hebt er hervor.
Doch trotz aller Proteste seien wieder viele Belastungen in den Bereichen Tier, Ackerbau, Steuern und Bürokratie draufgesattelt worden. Und somit stehen die Bauern auch am Ende des Jahres 2024 weiter mit schwierigen Bedingungen da. Das zeige sich auch in den aktuellen Betriebsergebnissen.
Die Einkommensverluste liegen im abgelaufenen Wirtschaftsjahr bei rund einem Drittel. Zu schaffen machen den Bauernfamilien dabei besonders die hohen Energie-, Betriebsmittel und Arbeitskosten. Und: Die weiterhin hohen Lebensmittelpreise für die Verbraucher lassen sich durch die Erzeugerpreise der Landwirte größtenteils nicht erklären.
Welche Erwartungen hat der Berufsstand an eine neue Bundesregierung?
„Wir brauchen wieder mehr Vertrauen und Aufbruchstimmung von der Politik“, bekräftigt der Vorsitzende. „Wir brauchen eine Bundesregierung, die Mut für eine Zukunft schafft.“ So führten die zurückliegenden Jahre mit unzähligen nationalen Gesetzen und Verschärfungen zum Wettbewerbsverlust, zu Investitionseinbrüchen, zur Verlagerung der landwirtschaftlichen Erzeugung und damit zum Ausstieg vieler Höfe. Dedert: „In Zeiten von Krisen und Kriegen auf der Welt ist es wichtig, die heimische Ernährungssicherung in den Vordergrund zu stellen.“
Die Landwirte müssen und wollen für die Zukunft ihrer Höfe investieren. Aber es fehlten Perspektiven, vor allem für die Tierhaltung am Standort Deutschland. Dadurch werde den Bauernfamilien die Chance zur nachhaltigen Entwicklung genommen. „Diese brauchen wir aber, um die dringenden gesellschaftlichen Aufgaben in Sachen Klimawandel, Biodiversität, Ressourceneffizienz sowie Versorgungssicherheit mit zu bewältigen“, so der Vorsitzende.
Dedert: „Wir brauchen dringend Klarheit und politisches Handeln für den Standort Deutschland“
Dedert fordert weiter eine Wettbewerbsgleichheit in Europa ohne nationale Alleingänge. Hierzu hat der Berufsstand ein Bürokratieentlastungs- und Wettbewerbsstärkungsprogramm aufgestellt. Zentral sind Verlässlichkeit, Planbarkeit und praxistaugliche Rahmenbedingungen. „Nur wenn es den Bauernfamilien möglich ist, Geld zu erwirtschaften, gibt es die Finanzkraft für Veränderung“, verdeutlicht der Vorsitzende. „Hier geht es grundsätzlich um das gleiche wie in anderen Wirtschaftsbereichen.“
Ernährungssicherung als Staatsziel
Aufgrund unsicherer Zeiten, der geopolitischen Lage und der Krisenherde auf der Welt, fordert Dedert – und das mehr denn je – die Ernährungssicherheit in die Reihe der Schutzgüter des Grundgesetzes aufzunehmen. Diese sei Eckpfeiler für Stabilität und sozialen Zusammenhalt.
Wie war die Ernte?
Die Getreideernte fiel nur unterdurchschnittlich aus. Der Mais, die Wiesen und die Wälder profitierten vom ausreichenden Regen. Die Kartoffelernte war in den meisten Fällen gut, doch höherer Krankheitsdruck aufgrund des Regens machte den Knollen zu schaffen. Bei den Zuckerrüben zeigten sich mengenmäßig gute Erträge, bei unterdurchschnittlichen Zuckergehalten. „Die Ernte ist zwar besser als nach dem Regensommer 2023, liegt aber unter dem fünfjährigen Durchschnitt“, erläutert Dedert.
Und was war in Herford und Bielefeld wichtig?
Die Diskussion um den weiter hohen Verbrauch landwirtschaftlicher Nutzfläche, die Regional- und Landschaftsplanung und geplante Irrsinnsprojekte wie der Neubau der ICE-Strecke Hannover-Bielefeld waren und sind Megathemen für die Landwirtschaft in Herford und Bielefeld. „Gerade bei der Landschaftsplanung und dem Flächenverbrauch brauchen wir pragmatische Lösungen und einen konstruktiven Dialog aller gesellschaftlichen Gruppen“, ist Dedert wichtig.
Es gehe nur kooperativ und miteinander und nicht gegeneinander.
Abschließend macht der Vorsitzende Mut: „Die Landwirtschaft ist Teil der Lösung vieler gesellschaftlicher Zukunftsfragen. Sie kann Antworten geben auf die großen Herausforderungen unserer Zeit hinsichtlich Klimaschutz, Förderung der Biodiversität, Stabilität im ländlichen Raum und natürlich der Ernährungssicherung vor Ort.“