Kinoausstellung – 125 Jahre Kino Bielefeld

Kino Ikonen. Foto Privat

Kinoausstellung im Historischen Museum der Stadt Bielefeld. Große Illusion der Bielefelder Kinogeschichte(n) aus 125 Jahren vom 06.09 bis zum 24. April 2021

Bielefeld – 2020 feiert das Kino der Stadt Bielefeld sein 125-jähriges Jubiläum. Ein Grund zum Feiern, aber auch ein Grund sich die spannende und wechselvolle Geschichte des Kinos genauer anzuschauen. Und das machen wir. Unsere Ausstellung blickt mit fünf großen Themenbereichen auf das Kino. Und wir meinen das Kino – nicht den Film. Wir schauen uns den Ort an, in dem sich seit über 100 Jahren Menschen begeistern und zerstreuen lassen. Trotz Corona – die Ausstellung findet statt und trotzt der Pandemie! Ein Grund mehr für eine Hommage an diesen einzigartigen Erlebnistraum, in dem Träume und Illusionen für zwei Stunden wahr werden. Eine Ausstellung, die exemplarisch die einstige Premierenstadt Bielefeld, dann aber doch das Kino über die lokalen Grenzen hinaus betrachtet. Staunen, Lachen, Weinen: Im großen, dunklen Kino-Saal lassen die Zuschauer, eingefangen vom riesigen Leinwandbild und einem eindrucksvollen Ton, ihren Emotionen freien Lauf. Für viele Fans werden dort Träume wahr.

Unvergessliche Stunden für Generationen von Kinobesuchern

Seit 125 Jahren erleben Generationen von Kinobesuchern unvergessliche Stunden im Parkett. Kinofans stehen geduldig Schlange, um ihre Stars und Sternchen lieben, leiden, kämpfen und siegen zu sehen. Wenn das Licht ausgeht und der Vorhang sich öffnet, saugen uns schon die ersten Bilder auf der großen Leinwand hinein ins Geschehen. Den Zauber der Filme kann man nur im Kino spüren. Und es ist nahezu unmöglich sich der Faszination des bewegten Bildes zu entziehen. Schnell entwickelte sich aus der reinen Jahrmarktsattraktion eine feste Institution: Das Kino war geboren. Bielefeld hat an der frühen Geschichte des Films einen nicht unerheblichen Anteil. Der berühmte Stummfilm Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau wird hier 1888 geboren und ein Jahr später Joseph Massolle, der mit zwei Freunden das weltweit erste serienreife Lichtton-Verfahren für Film (Tri-Ergon) entwickelt.

Film mauserte sich rasch zu einer Kunstform

Die Jahrmarktsattraktion Film mauserte sich rasch zu einer Kunstform, die in den neuen Lichtspielhäusern ihre Tempel fand. Dramaturgische Weiterentwicklungen und technische Neuerungen wie Tonfilm, Farbfilm, Breitwand, 3D, Stereoton und THX lockten die Zuschauer immer wieder neu in die Filmtheater. Vielfach tot gesagt, stand das Kino immer wieder auf – bis heute.

Nackte Haut und die vielen Küsse

Am Ende bleiben die verbotenen Szenen. Die nackte Haut und die vielen Küsse, die damals auf der Leinwand nicht zu sehen sein durften. Wenn Cary Grant und Rosalind Russell oder Greta Garbo und John Barrymore einander küssten, läutete der Padre die Glocke zum Zeichen notwendiger Zensur, empört von so viel Freizügigkeit, die aus dem fernen Hollywood in die vermeintliche Sittsamkeit seines sizilianischen Dorfes eindrang. Vorführer Alfredo war dann angewiesen, diese Szenen seinem Publikum im Cinema Paradiso vorzuenthalten. Aber sie gehen nicht verloren: Von Alfredo aufgehoben, kehren sie am Ende auf die Leinwand zurück, als nostalgische Erinnerung nicht nur an Meisterwerke der Filmgeschichte, sondern auch den Ort, an dem sie gemeinsam bestaunt wurden. Von diesem handelt Nuovo Cinema Paradiso (1988) von Regisseur Giuseppe Tornatore. Seine Hommage an ein Filmtheater, das zum Zentrum eines dörflichen Zusammenlebens wird, legt Spuren, die auch andernorts gelten: Die Geschichte eines Ortes, erfahren wir, ist die Geschichte seines Kinos.

Kino ist ursprünglich Spielkind der proletarischen Massen

Anders als die Theater und Opernhäuser, die geschliffenen Paläste des bürgerlichen Kunstbetriebs, ist das Kino ursprünglich Spielkind der proletarischen Massen. Am Spätabend der industriellen Revolution startete es seine ganz eigene Umwälzung. War die Erfindung des Kinematographen durch die Gebrüder Lumière ursprünglich in erster Linie technisch motiviert, öffnete sie innerhalb weniger Jahre die Tür zu einer Kunstform, die für alle erschwinglich und für alle zugänglich war. Sie bot Einblicke in neue Lebenswelten, wie sie den Arbeitern nach der täglichen Schinderei in den Fabriken willkommen waren. Damit jedoch, wie Theodor W. Adorno und Max Horkheimer in der Dialektik der Aufklärung darlegten, stand das Kino nicht mehr nur in der Sphäre kapitalistischer Verwertung, sondern wurde gleichsam Maßnahme zu ihrer Erhaltung: „Amüsement ist die Verlängerung der Arbeit unterm Spätkapitalismus. Es wird von dem gesucht, der dem mechanisierten Arbeitsprozess ausweichen will, um ihm von neuem gewachsen zu sein.“ Diese Einladung zum Amüsement, dem die Massen in die Säle folgten, wirkte besonders vermöge eines Illusionscharakters, der sich selbst aufhob.

Anekdote aus der Geburtsstunde des Films

Bekannt ist die Anekdote aus der Geburtsstunde des Films, als die Gebrüder Lumière dem Publikum einen einfahrenden Zug vorführten und die Menschen vor diesem in Deckung gingen oder aus dem Saal flüchteten. Aber die Gewöhnung an die Illusion auf der Leinwand hat diese nicht angegriffen, sondern im Gegenteil noch verstärkt. Wie Siegfried Kracauer betonte, sind gerade die „blödsinnigen und irrealen Filmphantasien […] die Tagträume der Gesellschaft, in denen ihre eigentliche Realität zum Vorschein kommt, ihre sonst unterdrückten Wünsche sich gestalten.“ Wovon die Arbeiter bloß träumen konnten, wurde demnach auf der Leinwand ins Bild gesetzt. Man mochte sich aus der Alltagstristesse vergeblich ans Meer wünschen, im Kino wenigstens hörte man es rauschen, solange die Fabrikmaschinerie schwieg. In Nuovo Cinema Paradiso ersetzt das nostalgische Andenken zum Schluss endgültig den Besuch im Saal. Auch deswegen, weil es die Erinnerungen auf sich vereint, die das kollektive Gedächtnis des Dorfes prägten: Es war der eine Ort. Die Heimlichkeiten, die noch auf der Leinwand einst der pfäffischen Zensur zum Opfer gefallen waren, fanden im Film dann vor dieser statt. Im Kino wurden sie zuerst geträumt.

Ausstellung präsentiert die faszinierende Geschichte des Kinos

Die Ausstellung präsentiert die faszinierende Geschichte des Kinos in fünf Bereichen: Technik des Kinos, Menschen im Kino, Murnau und Massolle, Kulturgeschichte des Kinos und die Geschichte der Bielefelder Kinos. Die gemeinsame Ausstellung der Stiftung Tri-Ergon Filmwerk mit dem Historischen Museum geht der Faszination des Kinos von den Anfängen bis heute auf den Grund. Immer wieder vergleicht die Ausstellung das lokale Geschehen mit der internationalen Entwicklung, zeigt die Abhängigkeit der „Provinz“ von internationalen Einflüssen, aber auch Wechselbeziehungen, wie sie z. B. zu Beginn der Tonfilmära zu beobachten sind. Wesentlicher Punkt des Konzeptes ist das Einbeziehen der Besucher, die Aufforderung, selbst mitzumachen, um die Technik zu verstehen. Das weit gefächerte Begleitprogramm umfasst eine Filmreihe, Vorträge sowie das Angebot von Workshops für Kinder und Jugendliche, z. B. Filmbilder und Ton selbst auf Blankfilm zu zeichnen, Daumenkinos zu gestalten oder an der Trick-box selbst kurze Filme zu drehen.

Ansprechpartner hierfür ist: Dr. Holger Schettler, Vorstand Stiftung Tri-Ergon Filmwerk, Detmolder Straße 30 in 33604 Bielefeld. Tel.: 0521/928010 oder  www.diegrosseillusion.de, www.tri-ergon-filmwerk.de, www.historisches-museum-bielefeld.de.

Öffnungszeiten und Eintrittsgelder

Dienstag – Freitag in der Zeit von  10.00-17.00 Uhr, Sa/So von 11.00 -18.00 Uhr

Eintritt 6 €, verschiedene Ermäßigungen

Symbolischer Vorführraum
Vorführraum vor 125 Jahren
Kino – Stifter
Plakatwand

ne Ermäßigungen

Kinoeröffnung im Atrium vor 125 Jahren

 

Anzeige