LWL begrüßt angekündigte Gesetzesreform zu § 64 StGB Maßregelvollzug
Münster (lwl). Der Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), Matthias Löb, freut sich über Reformvorschläge einer Bund-Länder-Kommission zur Änderung des Paragrafen 64 des Strafgesetzbuches (StGB) und unterstützt eine schnelle Novellierung (Ergänzung/Anpassung) dieses Paragrafen. Der LWL hatte bereits mehrfach kritisiert, dass der jetzige Paragraf 64 StGB zu Fehlanreizen und damit zu Überbelegungen in Kliniken des Maßregelvollzuges führe.
Matthias Löb: „Die Gerichte müssten wieder in erster Linie originär Suchtkranke in den Maßregelvollzug einweisen, um den bedenklichen Hauptgrund für Fehlentwicklungen zu beseitigen. Ich freue mich, dass mit einer Reform wieder eine stärkere Fokussierung der Unterbringung auf wirklich behandlungsbedürftige und behandlungsfähige Straftäterinnen und Straftäter erreicht und so zur Entlastung der Entziehungsanstalten beigetragen werden kann.“
Prüfung des Anpassungsbedarfs
Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Prüfung des Novellierungsbedarfs hat nach einem Jahr ihre Arbeiten abgeschlossen und einen Bericht veröffentlicht. Er wurde jetzt im LWL-Ausschuss für Maßregelvollzug vorgestellt. Im Oktober 2020 hatte das Bundesministerium der Justiz unter Co-Vorsitz der Länder Hamburg und Nordrhein-Westfalen diese Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet. Das Bundesministerium der Justiz will einen Referentenentwurf erarbeiten, in den die Vorschläge der Arbeitsgruppe einfließen sollen.
LWL-Maßregelvollzugsdezernent Tilmann Hollweg im Ausschuss: „Im Maßregelvollzug landen zu schnell und zu viele Straftäter, bei denen ein Suchtproblem mit Alkohol oder Drogen die begangenen Delikte nur vordergründig beeinflusst hat. Für primär kriminelle und voll schuldfähige, aber kaum therapiebereite Täter ist hier die Schleuse zu weit offen.“
Ursachen zur Fehlentwicklung
Ursachen für diese Fehlentwicklung seien die obergerichtliche Rechtsprechung und die gesetzlichen Fehlanreize insbesondere für Straftäter mit langjährigen Unterbringungen, so Hollweg. Denn eine vorzeitige Entlassung bei erfolgreicher Therapie sei bei Untergebrachten im Maßregelvollzug nach der Hälfte der Strafe bereits möglich, bei Untergebrachten in einer Justizvollzugsanstalt ist die frühestmögliche Entlassung in der Regel erst nach Zweidritteln der abgesessenen Strafe möglich.
Das Ergebnis: Mehr Unterbringungen, mehr Überbelegungen bei Kliniken und deutlich mehr und stärker kriminelle als suchtkranke Patienten. „Diese tragen dazu bei, dass sich auf manchen Stationen ein zunehmend anti-therapeutisches Klima entwickelt“, berichtet Hollweg.
Deutlicher Anstieg der Unterbringungsdauer
Nach Angaben des Bundesjustizministeriums hat sich die durchschnittliche Zahl der Unterbringungen in die Entziehungsanstalten bundesweit allein vom Jahr 2017 zum Jahr 2020 von 4.462 auf 5.280 Personen und damit in nur drei Jahren um gut 18 Prozent erhöht. Dieser Anstieg ist vor allem in den vergangenen Jahren in vielen Bundesländern verbunden mit einem deutlichen Anstieg der durchschnittlichen Unterbringungsdauer sowie einem deutlichen Wandel in der Struktur der Klientel. Allein in den Maßregelvollzugseinrichtungen des LWL hat sich die Zahl der gerichtlich angeordneten Zuweisungen seit 2009 fast verdoppelt – von 154 im Jahr 2009 auf 303 Patienten 2021, so Hollweg.
Im Zentrum der Änderungsvorschläge der Arbeitsgruppe: Zum einen die konzentriertere Definition des Suchtbegriffes, so dass genauer die Therapiebedürftigkeit von Straftätern festgestellt werden kann. Zum anderen soll sich die Aussetzung der Reststrafe an der reinen Strafvollstreckung orientieren und damit auch im Maßregelvollzug an den Zweidrittelzeitpunkt angepasst werden.
Die Behandlung der Straftäterinnen und Straftäter in den Entziehungsanstalten sollte sich daher wieder stärker auf diejenigen Personen konzentrieren, die wirklich eine Therapie brauchen. „Die Gerichte brauchen wieder eine Grundlage, um die konkreten Erfolgsaussichten bei der Zuweisung von suchtkranken Rechtsbrechern in den Maßregelvollzug stärker als Maßstab zu nehmen“, fordert Hollweg.
Hintergrund
Zwei forensische LWL-Kliniken sind speziell auf die Behandlung von suchtkranken Straffälligen ausgerichtet: die LWL-Maßregelvollzugsklinik Schloss Haldem in Stemwede und das LWL-Therapiezentrum für Forensische Psychiatrie Marsberg. Aufgrund der hohen Zuweisungszahlen haben inzwischen auch die forensischen LWL-Kliniken in Herne, Dortmund und Lippstadt Behandlungsangebote für suchtkranke Patienten und Patientinnen. 2007 wurde mit dem Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Unterbringung von suchtkranken Rechtsbrechern nach § 64 StGB reformiert. Die Reform sollte bewirken, dass die Kapazitäten des Maßregelvollzugs besser und zielgerichteter genutzt werden und die Zuweisungen abnehmen. Das Gegenteil stellte sich ein.