Ernte 2022: Enorm große regionale Unterschiede

Die Erntekrone ist ein Symbol für das Erntedankfest. Früher wie heute erinnert der Schmuck an die Abhängigkeit der Menschen von der Natur. Der untere Kranz - ohne Anfang und Ende - steht für die Ewigkeit und Unendlichkeit. Foto: WLV

Hagedorn: „Gerade in Krisenzeiten und anfälliger Handelsströme heimische, regionale Erzeugung wichtiger denn je.“

Lippe/wlv Am Sonntag, den 2.10.2022 feiern wir das Erntedankfest. Anlass für die heimischen Landwirte und Landwirtinnen, auf die Ernte zu schauen und dankbar zu sein, für die Gaben der Erde. „Die Ernte ist in diesem Jahr geprägt von extrem großen regionalen Unterschieden“, resümiert Dieter Hagedorn, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Lippe.

Mit Getreide- und Rapsernte zufrieden

„Mit dem, was wir im Sommer gedroschen haben, sind wir zufrieden“, bilanziert der Vorsitzende. So sei die Getreide- und Rapsernte erfreulicher ausgefallen als angesichts der Trockenheit zu erwarten war. Doch sie zeige je nach Standort und Niederschlag eine große Spannbreite. Zudem fielen die Proteingehalte im Getreide niedrig aus. Beim Raps verzeichnen die Landwirte eine gute Qualität mit guten Ölgehalten, allerdings auch hier mit großer Variation.

Warum fiel die Getreide- und Rapsernte überraschend gut aus?

Anders als in den Dürrejahren 2019 und 2020 fehlte der Regen nicht im Frühjahr, sondern erst später. So gab es in den entscheidenden Wachstums- und Entwicklungsphasen immer gerade genügend Regen. Positiv war zudem, dass das Sommerwetter sehr gute Erntebedingungen verschaffte. Aufgrund des beständigen Wetters konnte ohne große Unterbrechungen gedroschen werden.

Wie beim Rasen im Garten: Regen fehlte für das Gras in Wiesen und Weiden

Ohne Regen wächst das Gras nicht. Der erste Grasschnitt als Futter für Rinder, Schafe und Pferde war noch in Ordnung. Doch mit der beginnenden Trockenheit im Frühsommer ist das Gras kaum noch gewachsen. So mussten die Tierhalter oft bereits das Winterfutter anbrechen, statt neue Vorräte für den Winter anzulegen.

Ebenso haben die Feldfrüchte Mais, Kartoffeln und Zuckerrüben stärker als Getreide und Raps unter der Trockenheit gelitten. Denn sie bilden erst später ihren Ertrag. Dadurch fehlte ihnen der Regen über die Sommermonate.

So reifte der Mais in diesem Jahr sehr früh ab und führte zu frühzeitigem Erntebeginn schon im August. Die Erträge fallen je nach Standort und Regenmenge sehr unterschiedlich aus. Vor allem auf den leichteren, sandigen Böden im Kreis konnten die Maispflanzen oft nur kleine oder gar keine Kolben entwickeln. Auf manchen Feldern ist der Mais sogar nur hüfthoch gewachsen.

Auch die Kartoffeln sind überwiegend klein geblieben. „Dadurch wird es dieses Jahr eher kurze Pommes geben“, sagt der Vorsitzende schmunzelnd. Die Erträge liegen mit großer Spanbreite zwischen unterdurchschnittlich bis maximal normal. Vielerorts konnte die Ernte aufgrund des trockenen Bodens erst später beginnen. Entspannung brachte dann der Regen der letzten Wochen.

Die Zuckerrüben werden derzeit gerodet. Sie fallen in diesem Jahr aufgrund des Wassermangels oft sehr klein aus. Die bisherigen Erntemengen variieren sehr stark, doch mit teilweise sehr hohen Zuckergehalten. Diese sind dem Sonnensommer zu verdanken. Weiter hat die Rübenkampagne früher begonnen. Die Zuckerverarbeiter, die aus den heimischen Rüben den Zucker herauskochen, starteten aus Sorge vor drohenden Energieengpässen schon Anfang September.

Erdbeer- und Spargelbauern fehlte Wirtschaftlichkeit 

Bei den Erdbeer- und Spargelbauern war die Wirtschaftlichkeit in diesem Jahr schwierig. Spargel und Erdbeeren wurden vielfach billiger aus anderen Ländern importiert. „Mit diesen Preisen konnten die Erdbeer- und Spargelbauern hierzulande nicht mithalten“, erläutert Hagedorn. Kostensteigerungen wie für Energie konnten die hiesigen Bauern nicht an die Kunden weitergeben. Zudem haben Bürgerinnen und Bürger in diesem Jahr sehr stark auf den Preis geschaut.

Der Vorsitzende erinnert zu Erntedank

„Besonders in turbulenten Zeiten, wie diesen, wird uns die hohe Bedeutung der Ernährungssicherheit vor Ort wieder bewusst“, verdeutlicht Hagedorn. So mussten wir in diesem Jahr erneut feststellen, wie plötzlich vermeintliche Gewissheiten überholt sein können.“ Hagedorn gibt zu verstehen: Gerade in Zeiten internationaler Krisen und anfälliger Handelsströme sei eine wettbewerbsfähige und heimische, regionale Erzeugung wichtig, die eine flächendeckende Versorgung beinhalte.

„Doch auf der anderen Seite prasseln immer neue Auflagen auf uns Bauernfamilien ein, die nicht auf fachlicher, sondern rein politischer Ebene entstehen“, schildert der Vorsitzende. Diese Gesetzesfülle und Regelungswut setzte besonders den kleineren, bäuerlichen Familienbetrieben zu und bringe sie in Existenznot. „Die Wirtschaftlichkeit vieler Höfe ist nicht mehr gegeben“, sorgt sich Hagedorn. „Wir brauchen weniger Bürokratie und mehr Planungssicherheit“, untermauert der Vorsitzende. Er warnt: Ansonsten werde die Landwirtschaft vor Ort mittelfristig verschwinden.

Wo geht die Reise hin?

„Zukünftig wird die Landwirtschaft noch umweltschonender und nachhaltiger – auch mit Hilfe von Digitalisierung, Weiterentwicklung und Innovation“. Klimaangepasstes und ressourcensparendes Wirtschaften werde in allen Bereichen der Wirtschaft, nicht nur in der Landwirtschaft, Pflicht. Hagedorn: „Wir alle als Erdenbürger sind verantwortlich für unsere Welt und unser Klima. Gemeinsam können wir viel bewirken.“

Anzeige